Dawonia Real Estate geht rechtlich gegen öffentliche Kritik vor
Die Immobiliengesellschaft Dawonia ist rechtlich gegen Mieter*innen vorgegangen, die sich mit Unterstützung der “Initiative für eine Mietergewerkschaft e.V.” gegen potentiell überzogene Nebenkostenabrechnungen wehren. Während die Mieter*innen für ihre Rechte einstehen und Missstände öffentlich machen, wirft die Reaktion von Dawonia Bedenken auf, inwiefern sie SLAPP Taktiken einsetzt, also mit unverhältnismäßigen rechtlichen Schritten gegen kritische Stimmen vorgeht.
Vorwürfe gegen Dawonia
Sechsundfünfzig Mieter*innen in München und Würzburg haben mit Unterstützung des Mieterbundes und der Initiative Wohnraum Würzburg Ende 2023 Belegeinsicht und Tätigkeitsnachweise angesichts intransparenter Nebenkostenabrechnungen und Modernisierungskosten beim Wohnungskonzern Dawonia gefordert. Sie haben ihre Einzugsermächtigungen zurückgezogen und fordern eine transparente Dokumentation aller Nebenkosten, machen von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Der Grund für diesen Schritt ist der Verdacht, dass Dawonia unrechtmäßige Gebühren erhebt und diese nicht ausreichend belegen kann.
Einschüchterungsversuch mittels rechtlicher Schritte?
Auf eine entsprechende Pressemitteilung reagierte das Wohnungsunternehmen mit rechtlichen Schritten: Wie die Initiative für eine Mietergewerkschaft e.V. darlegt, ging vier Tage nach Veröffentlichung der Kritikpunkte und Forderungen beim Vorstand der Initiative eine anwaltliche Abmahnung ein. Darin wird der Verein aufgefordert, kritische Aussagen zurückzuziehen. Mit Unterzeichnung der Unterlassungserklärung hätte sich die Mietergewerkschaft außerdem dazu verpflichtet, eine „Kostenerstattung“ in Höhe von fast 2.600 Euro an die Dawonia zu leisten.
Das umgehende rechtliche Vorgehen der Dawonia gegen die öffentliche Kritik der Mieter*innen wirft Fragen auf - und trägt eindeutige Merkmale von SLAPP-Taktiken. Strategic Lawsuits Against Public Participation (SLAPP) - Bei diesem Phänomen handelt es sich um eine Form des Rechtsmissbrauchs, die öffentliche Kritik mittels rechtlicher Schritte zu unterdrücken sucht. SLAPPs zielen darauf ab, kritische Stimmen einzuschüchtern und haben eine abschreckende Wirkung auf den zivilgesellschaftlichen Diskurs und die kritische Öffentlichkeit. Die Kurzform SLAPP kommt aus den USA: Übermächtige juristische sowie natürliche Personen, die Journalist*innen oder Aktivist*innen mit juristischen “Ohrfeigen” zum Schweigen bringen wollen. Nicht immer ist das Vorgehen juristisch völlig unbegründet, aber in jedem Fall hat es einen einschüchternden Effekt.
2022 brachte die Europäische Union die Richtlinie “zum Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren” auf den Weg, die im Laufe diesen Jahres EU-Mitgliedstaaten dazu anhalten wird, nationale Gesetzgebung gegen SLAPPs einzuführen. Von dieser Gesetzgebung werden auch Initiativen profitieren können, die sich angesichts potentiell unzulässiger Abrechnungen gegen Wohnungsgesellschaften wehren.
Mieter*innen bleiben standhaft - und erringen Teilerfolg
Der Versuch der Dawonia, die Mietergewerkschaft mit juristischen Drohungen und Kostenerstattungsforderungen zum Schweigen zu bringen, unterstreicht die Herausforderungen, denen sich Bürger*innen gegenübersehen, wenn sie sich gegen finanzstarke Akteure wenden. Dieser Rechtsstreit ist ein weiteress eindrucksvolles Beispiel für die anhaltende Auseinandersetzung zwischen Bürger*innen, die ihre Rechte geltend machen wollen, und Unternehmen, die versuchen, kritische Stimmen durch rechtliche Einschüchterung zu unterdrücken.
Unbeeindruckt von den rechtlichen Drohungen bleibt die Mietervereinigung standhaft. Maximilian Rathke, der zweite Vorsitzende des Vereins, bemerkte: „Wenn ein millionenschwerer Konzern sich genötigt sieht, mit derartigen Mitteln gegen die erste deutsche Mietergewerkschaft vorzugehen, dann gibt das zu denken. Sollte die Dawonia bezweckt haben, uns einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, so hat sie sich getäuscht. Wir werden weiter Dawonia-Mieterinnen und Mieter organisieren.“
Und tatsächlich konnten die Mieter*innen im Münchner Norden, die sich mit Dawonia über Modernisierungsarbeiten streiten, bereits einen Teilerfolg erringen. Die Dawonia machte eine Mieterhöhung rückgängig, was von einigen als Zugeständnis aufgrund des Widerstands der Mieter*innen angesehen wurde. Das Unternehmen hielt jedoch an seiner Position fest und betonte, dass es sich bei der Rückerstattung eher um eine Geste des guten Willens als um die Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung handele. Bleibt abzuwarten, ob weitere rechtliche Schritte und andere Einschüchterungen folgen.
Hier finden Sie die Pressemeldung der Initiative für eine Mietergewerkschaft e.V. von 01.02.2024
Außerdem hat eine Münchner Lokalzeitung hier über den Fall berichtet: https://www.tz.de/muenchen/stadt/hallo-muenchen/muenchen-schwabing-wohnung-anlage-sanierung-arbeiten-baustelle-miete-erhoehung-dawonia-92783082.html
Hier geht es zum Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52022PC0177&qid=1671550772105
Und hier zu einem Beitrag der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer zur Einigung im europäischen Trilog zur Richtlinie: https://www.brak.de/newsroom/news/eu-erzielt-einigung-im-kampf-gegen-missbraeuchliche-klagen/