EGMR bestätigt Verurteilung eines französischen Politikers wegen rechtswidriger Kommentare, die von Dritten auf seiner Facebook-Pinnwand gepostet wurden

Eine vor kurzem getroffene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) könnte weitreichende Folgen für die Online-Debattenkultur und das digitale Engagement von Politiker*innen und anderen Prominenten haben. Die große Kammer des EGMR entschied am 15. Mai, dass die Verurteilung eines Lokalpolitikers für beleidigende Kommentare Dritter auf seiner Facebook-Seite, die er versäumte, zu löschen, nicht gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt. 

Diese Entscheidung hat potentiell eine große Tragweite: Das Urteil erlaubt es de facto, prominente Personen dazu zu verpflichten, Inhalte in den sozialen Medien zu moderieren. Dies könnte dazu führen, dass einige prominente Nutzer sozialer Medien auf die Einrichtung von Kommentarbereichen auf ihren Konten verzichten, was wichtige Diskussionen und den demokratischen Diskurs einschränken könnte.

Der Fall, der zur Entscheidung führte, betraf das französische Gemeinderatsmitglied Julien Sanchez. Sanchez kandidierte für die Parlamentswahlen und wurde wegen Aufstachelung zu Hass oder Gewalt gegen eine religiöse Gruppe verurteilt. Er hatte einen Beitrag auf seinem öffentlichen Facebook-Account veröffentlicht, zu dem 15 Personen Kommentare abgaben, von denen zwei den Abgeordneten beschuldigten, die Stadt von Muslimen regieren zu lassen und Drogenhandel und Prostitution zuzulassen. Sanchez entfernte die beanstandeten Kommentare nicht von seiner Facebook-Seite. Das Gericht urteilte, dass Sanchez unachtsam handelte, indem er nicht auf die Kommentare anderer reagierte bzw. diese nicht löschte.

Die Große Kammer des EGMR entschied zugunsten Frankreichs und stellte fest, dass Sanchez' Rechte nicht verletzt wurden. Das Gericht argumentierte, dass Sanchez durch das Öffentlichmachen seiner Facebook-Seite anderen erlaubte, Kommentare zu posten, und dass er sich der potenziellen Folgen seiner Entscheidung bewusst sein sollte. Daher sah das Gericht keine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es wird zu beobachten sein, ob und inwiefern diese Entscheidung Personen des öffentlichen Lebens zukünftig davon abhalten wird, die Kommentarfunktion bei Social Media Beiträgen zu aktivieren und somit eine Debatte unter Social Media Posts zu ermöglichen. Fraglich bleibt auch die Rolle der Betreiber von Social Media Plattformen, in diesem Fall Facebook, die auf Basis dieses Urteils Haftungsfragen in Bezug auf Hate Speech zunehmend auf ihre User übertragen könnten.

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