Bundesverfassungsgericht befasst sich mit SLAPP gegen Journalisten

Marco Bras dos Santos

Im November 2019 blockierte das Aktionsbündnis “Ende Geländer” Kohlebagger in einem Tagebau von MIBRAG. Der Kohlekonzern ging daraufhin nicht nur gegen die Aktivist*innen, sondern auch gegen mehrere begleitende Multiplikator*innen, wie die damalige Pressesprecherin von Ende Gelände, sächsische Landtagsabgeordnete sowie mehrere Journalist*innen, rechtlich vor - im Stil von SLAPPs, stratgischen Klagen gegen eine kritische Öffentlichkeit. Marco Bras dos Santos, einer der betroffenen Berichterstatter, legte dagegen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde ein. Das Gericht beschäftigt sich nun mit dem Fall.

Die Meinungsfreiheit und das Recht auf freie journalistische Berichterstattung sind elementare Pfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Doch diese Grundprinzipien stehen zunehmend unter Druck, insbesondere durch SLAPPs - Strategic Lawsuits against Public Participation. SLAPPs sind strategisch eingesetzte rechtliche Schritte, die dazu dienen, Kritiker*innen einzuschüchtern und deren Kritik die Öffentlichkeit zu nehmen. Ein alarmierendes Beispiel für den Missbrauch des Rechtssystems zu diesem Zweck ist der Fall des Journalisten Marco Bras dos Santos.

Bras dos Santos begleitete im November 2019 “Ende Gelände” , um über deren Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen die Umweltverheerungen durch Braunkohleförderung zu berichten. Und sah sich daraufhin mit dem Vorwurf des Hausfriedensbruchs konfrontiert, den die MIBRAG auch strafrechtlich verfolgen ließ - gegen einen Journalisten, der die Pressefreiheit ausübte und vor Ort über eine Protestaktion berichtete. In der Klageschrift seines Anwalts wurde entsprechend dargelegt, dass es sich hierbei um einen Fall von SLAPP handelt.

Nach seiner Verurteilung durch ein sächsisches Amtsgericht hat der Journalist Marco Bras dos Santos eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Er hofft auf eine wegweisende Entscheidung, die als Richtlinie für nachgeordnete Gerichte und Behörden dienen kann. Maßgeblich dafür ist Artikel 5 des Grundgesetzes, der Journalist*innen in ihrer Berufsausübung besonders schützt. Diese müssen über Ereignisse berichten können, die von öffentlichem Interesse sind, ohne Angst vor rechtlichen Konsequenzen haben zu müssen.

Bras dos Santos positionierte sich mit Blick auf seine Verurteilung entsprechend: „SLAPP-Klagen, die sich im Schatten der Gesetzgebung gegen die Presse richten, hatten bislang zu wenig Aufmerksamkeit. Vom Bundesverfassungsgericht erhoffe ich mir nun eine zitierfähige Handreichung für nachgeordnete Gerichte und Behörden.“

Auch Matthias von Fintel, Leiter des Bereichs “Medien, Journalismus und Film” im ver.di-Bundesvorstand, hat eine eindeutige Perspektive auf diesen Fall: „Journalist*innen sind durch Artikel 5 des Grundgesetzes in ihrer Berufsausübung besonders geschützt und müssen für Reportagen und Recherchen auch dahin gehen, wo andere etwas verheimlichen wollen. Der Protest im Tagebau der MIBRAG bei Leipzig war ein Ereignis, über das zu Recht zu berichten war. Der Vorwurf des Hausfriedensbruchs ist gegen einen über diesen Protest für die Öffentlichkeit berichtenden Journalisten ungerechtfertigt. Die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die erstinstanzliche Gerichtsentscheidung wird hoffentlich den zu erwartenden Erfolg für die Pressefreiheit haben.“

Mit dieser Auffassung ist von Fintel nicht alleine. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis warnt schon seit längerem davor, dass SLAPPs wesentliche Grundrechte und damit die Demokratie gefährden. Christian Mihr, als Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland ebenfalls Teil des No-SLAPP-Bündnisses, mahnt ebenfalls an: „Zur Pressefreiheit gehört, dass Journalist*innen frei und ungehindert berichten können – auch und gerade von zivilgesellschaftlichen Protesten. Wenn sie wegen ihrer Arbeit mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen, hat das eine abschreckende Wirkung. Medien werden es sich dann in Zukunft zweimal überlegen, ob sie sich solche Berichterstattung überhaupt leisten können. Das wäre ein fatales Signal.“

Der Fall von Marco Bras dos Santos und die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht sind von entscheidender Bedeutung für die demokratische Öffentlichkeit und insbesondere für Journalist*innen und Medienschaffende angesichts der zunehmenden Einschüchterungsversuche. Für eine freien, demokratischen gesellschaftlichen Diskurs ist es essentiell, dass Journalist*innen in der Lage sind, über Themen von öffentlichem Interesse zu berichten, ohne Angst vor rechtlichen Schikanen haben zu müssen.

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