Deutscher Bundesjustizminister öffentlich zu Einsatz gegen SLAPPs im europäischen Trilog aufgerufen
Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Medien-, Menschenrechts- und weiteren Nichtregierungsorganisationen sowie Gewerkschaften hat einen offenen Brief an den deutschen Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann, veröffentlicht. Der Brief bezieht sich auf die allgemeine Ausrichtung, die der Rat der Europäischen Union zum Richtlinienvorschlag "über den Schutz von Personen, die sich an der Öffentlichkeit beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren (SLAPPs)" angenommen hat.
Die Unterzeichner*innen des Briefs zeigen sich enttäuscht über die Verwässerung des ursprünglichen Textes der Richtlinie und befürchten einen Rückschritt im Kampf gegen den zunehmenden Einsatz offensichtlich unbegründeter und missbräuchlicher Gerichtsverfahren. In dem offenen Brief werden drei Nachteile der aktuellen Ausrichtung der Richtlinie hervorgehoben:
Erstens wurde die Definition des Begriffs "grenzüberschreitend" gestrichen, wodurch die meisten SLAPP-Fälle nicht mehr unter den Schutz der Richtlinie fallen würden, so das Bündnis. Da etwa 90% der SLAPP-Fälle in Europa im Land des Wohnsitzes der Zielperson angestrengt werden, würde dies zu einem erheblichen Ausschluss von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie führen.
Zweitens wird die Definition von "offensichtlich unbegründeten Fällen" restriktiv gehandhabt, was den Schutz der Betroffenen verringert. Insbesondere wird der Mechanismus der vorzeitigen Klageabweisung geschwächt, und es besteht keine Garantie mehr für die vorzeitige Einstellung von missbräuchlichen Verfahren.
Drittens wurde die Bestimmung über Entschädigungsmöglichkeiten für erlittene Schäden gestrichen, was den Schutz von SLAPP-Zielpersonen weiter schwächt. Die Unterzeichner*innen des Briefs betonen, dass die derzeitige Ausrichtung der Richtlinie weit hinter dem ursprünglichen Ziel der Gesetzgebung zurückbleibt - dem Schutz von Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen und dem Recht auf Information in der Europäischen Union.
Das Bündnis appelliert an den deutschen Bundesminister der Justiz, sich auf europäischer Ebene für eine Gesetzgebung einzusetzen, die wirksam vor strategischen Einschüchterungsklagen schützt. Sie fordern, dass während der heute anlaufenden Trilog-Verhandlungen öffentlich getroffene Zusagen in konkrete Maßnahmen umgewandelt werden. Nur ein ehrgeiziger Text, der den Empfehlungen prominenter europäischer Rechtsexpert*innen folgt, könne eine positive Veränderung bewirken und eine wichtige Chance nutzen.
Viele der Kritikpunkte der deutschen zivilgesellschaftlichen Allianz finden sich in einem separaten Appell des UN-Sonderberichterstatters für Umweltschützer im Rahmen der Aarhus-Konvention, Michel Forst, an die ständigen Vertreter der EU und die Regierungen der Mitgliedsstaaten wieder. Forst, der sich zunehmend für SLAPPs als Mittel zur Belästigung und Einschüchterung von Umweltschützern interessiert, fordert, dass diese Gruppe in jedem neuen Gesetz besonders geschützt wird.
Die Bedrohung der Meinungsfreiheit durch missbräuchliche Gerichtsverfahren ist ein ernstes Problem, dem Journalistinnen, Medienorganisationen und Aktivistinnen in Europa zunehmend ausgesetzt sind. Es ist entscheidend, dass effektive Maßnahmen ergriffen werden, um sie vor juristischen Schikanen zu schützen, die ihre Arbeit beeinträchtigen und das Recht der Öffentlichkeit auf Information verletzen. In diesem Kontext steht der offene Brief des Bündnisses, der ein Bewusstsein für diese Angelegenheit schaffen und politische Entscheidungsträger dazu ermutigen soll, sich für einen umfassenden Schutz vor Rechtsmissbrauch einzusetzen.