Der rechtliche Beirat der No SLAPP Anlaufstelle im Gespräch: Dr. Jonas Kahl

RA Dr. Jonas Kahl. Foto: Spirit Legal

Die No SLAPP Anlaufstelle zum Schutz publizistischer Arbeit in Deutschland wird von derzeit 17 Rechtsexpert*innen unterstützt, um die Schulungen und andere Angebote der Anlaufstelle auf fachlich höchstem Niveau zu halten. Und um bei konkreten SLAPPs bestmöglich rechtliche Beratung zu vermitteln, bei Fällen mit presse- und äußerungsrechtlichen, arbeitsrechtlichen, aber auch strafrechtlichen Dimensionen. 

Mit dieser Interviewserie stellen wir die Beirätinnen und Beiräte einzeln vor, heute mit Perspektiven von Dr. Jonas Kahl aus Leipzig. Jonas Kahl ist ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Partner in der Kanzlei Spirit Legal in Leipzig. Zu seinen Schwerpunkten zählt die Beratung und Vertretung in Angelegenheiten des Internetrechts, des Presserechts, des Allgemeinen Persönlichkeits- und des Meinungsäußerungsrechts sowie des Lizenzvertragsrechts. Kahl promovierte an der Universität Leipzig und erwarb einen Master of Laws am Medieninstitut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Welchen Bezug haben Sie zum Thema SLAPP - mit welchen Formen von Einschüchterung durch rechtliche Mittel beschäftigen Sie sich besonders intensiv?  

Das Spektrum unserer Mandaten ist breit und reicht von Privatpersonen, über Unternehmen bis hin zu Journalisten oder auch Vertretern gemeinnütziger und politischer Organisationen. In Fällen, die auf eine Einschüchterung abzielen, stehen auf der Gegenseite nicht selten Wettbewerber von Unternehmen, Betroffene von Medienberichten, aber auch politische Akteure aus dem rechten Spektrum, welche den öffentlichen Diskurs zu lenken versuchen.

Was sind Ihre Ratschläge für Betroffene von rechtlichen Einschüchterungsversuchen?  

Gern würde ich sagen: Der Einschüchterung Stand zu halten. Das bedeutet, rechtsberatende Hilfe zu ersuchen und sich sodann, vertreten durch einen Rechtsbeistand außergerichtlich und - wenn erforderlich - auch gerichtlich zur Wehr zu setzen. Gerade bei rechtlichen Einschüchterungsversuchen ist es von besonders hoher Relevanz, diesen weder eine Struktur noch Routine zu geben. Angesichts der hohen angedrohten Kosten und der teils zu erwartenden Verfahrensanzahl ist das jedoch oft nicht der präferierte Weg der Betroffenen. Dem Ist-Zustand sollte mit Umsetzung der Richtlinie möglichst effektiv begegnet werden.

In der EU-Richtlinie "Über den Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten Klagen oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren" wurde SLAPP zum ersten Mal in Europa von offizieller Seite definiert. (Inwiefern) beeinflusst diese Formulierung ihre Arbeit jetzt schon, noch vor der Umsetzung in nationales Recht?  

Eine direkte Einflussnahme besteht derzeit noch nicht. Dennoch ist es möglich, die Richtlinie in Einschüchterungsfällen hinzuzuziehen. Nichtsdestotrotz treffen die deutschen Gerichte ihre Entscheidung nach Abwägung in der Sache. Solche Streitigkeiten sind meist langwierig, bis sie mit der Urteilsfindung oder nicht selten auch infolge des Zurücknehmens von Anträgen auf der Klägerseite enden.

Worauf sollte der Gesetzgeber hierzulande bei der Umsetzung unbedingt achten?  

Im Vordergrund sollte stehen, die Anwendung der Richtlinie praktikabler zu machen und dem Anwendungsbereich einen deutlichen Rahmen zu geben. Ich denke dabei insbesondere an eine noch sehr weite Auslegung der Begrifflichkeiten in Artikel 4 der Richtlinie. Gerade der Missbrauchstatbestand sollte hier sorgfältiger eingekleidet werden. Ein gutes Umsetzungsbeispiel hierfür könnte die Ausgestaltung der Zweifelsregelung in § 8c Abs. 2 UWG sein. Schlussendlich soll die Richtlinie nicht dazu führen, noch mehr wirtschaftlichen Druck auf schwächere Beklagte auszuüben, sofern diese das Vorliegen einer SLAPP Klage erst gerichtlich feststellen lassen müssen.

Welches öffentliche Verständnis von SLAPP schlagen Sie bis zur Umsetzung vor - welche Fälle sollten als SLAPP verstanden werden, welche vielleicht auch nicht?  Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, was die Öffentlichkeit über SLAPPs wissen sollte?  

Als SLAPP sollte der gezielte Missbrauch des Rechtstaats zur Unterdrückung an der öffentlichen Teilhabe verstanden werden. Dennoch sollte die Begrifflichkeit bis zur Umsetzung nicht zu weit ausgedehnt werden. Anderenfalls würde SLAPP vermutlich als Beschneidung der Presse- und Meinungsfreiheit diskutiert. Das sollte nicht das Ziel einer öffentlichen Debatte sein.

Wie können rechtliche Einschüchterungsversuche Ihrem Verständnis nach besonders gut abgewehrt werden? Wenn Sie Ihre Mandant*innen gegen SLAPPs verteidigen, welche Dinge brauchen Sie dann in Ihrem Werkzeugkasten?  

In der Bearbeitung solcher Fälle ist es besonders wichtig, etwaige Nebelkerzen vom tatsächlichen Kern der Auseinandersetzung trennen zu können. Erst auf Basis dessen können Mandant*innen einen realistischen Blick auf die tatsächlichen Risiken der Auseinandersetzung bekommen. Zudem kann es in manchen Fällen hilfreich sein, den bewussten Weg in die Öffentlichkeit zu suchen und den Einschüchterungsversuch damit transparent zu machen.

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